Über die Psyche von Autor*innen
Sie sind Autorin oder Autor? Oder wollen es werden? Na, dann Glückwunsch zum beschissensten besten Beruf der Welt. Die Leidenschaft, die er in Ihnen entfacht, wird Sie mit Sicherheit in den nächsten – sagen wir – fünfzig bis siebzig Jahren umbringen. Sie empfinden keine Leidenschaft? Dann lesen Sie bitte gar nicht erst weiter! Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie den Gärtner oder Miss Marple.
Sind Autor*innen masochistisch veranlagt? Kein Witz, diese Frage können wir uns doch stellen, wenn wir der Realität ins Auge sehen, vor die sich die schreibende Zunft gestellt sieht:
1. Jede Form von Kunst, also auch Schriftwerke, fordern Kritik (oder gar Ablehnung) förmlich heraus. Mit Pech wird man/frau sogar ge-shitstorm-t.
2. Das Einkommen der „durchschnittlichen“ Autorin in Europa pendelt um jene Grenze herum, an der Armut definiert ist. Von einem Mindestlohn können Autoren nur träumen!
3. Die Autorin / der Autor ist in mehrfacher Hinsicht allein. Der Schaffensprozess ist ein zurückgezogener. Solidarität (im gewerkschaftlichen Sinn) ist ein Fremdwort. Autor*innen sind Katzen / Kater; immer launisch, eigenbrötlerisch, wählerisch. Und eitel.
4. Wenn ein Buch schlecht läuft, liegt die Ursache – natürlich – bei der Autorin!
So, wer jetzt noch Autor bleiben (oder Autorin werden) will, muss doch – ja was denn? – geistig gestört und/oder unendlich leidensfähig sein. Nichts für ungut, ich bin ja selbst betroffen 😉
Aber Spaß beiseite. Was bewegt Menschen dazu, Bücher zu schreiben? Die psychologische Antriebsfeder hinter dem Wunsch, Autor zu werden und in den Literaturbetrieb einzutauchen, ist nicht abschließend erforscht. Es gibt ein paar Befragungen und viele Theorien, bisher nichts Handfestes. Aber es sind durchaus gute, plausible Rückschlüsse aus allgemeinpsychologischen Studien zur Persönlichkeit auf den Schriftsteller-Beruf möglich.
Es scheint Menschen zu geben, die vom Wunsch getragen werden, anderen mitzuteilen, wer sie sind. Und dies tun Schriftsteller durch ihre Geschichten. Sie sind dabei allerdings (vom Grundsatz her) nicht pornografisch veranlagt, ziehen sich also nicht einfach für Geld aus. Vielmehr ist das Verhältnis von Autorin und Leser ein erotisches Spiel des gegenseitigen Entdeckens. Beide werden auf diese Weise Teile eines Ganzen. Teile, die allein nicht funktionieren. Wie beim Essen gibt es bei Lesern auch in der Literatur ein unterbewusstes Verlangen nach Süßem, Deftigem, Scharfem, Saurem, Fetten. Der eine freut sich auf den Schnaps danach, die andere auf die Vorspeise. In der Schreib-Lese-Einheit spürt der Leser, was er/sie will. Letztlich wird diese Beziehung aber nur erfolgreich sein, wenn die Autorin auch „liefert“. Nämlich Teile ihrer Identität. Schwere, philosophische Kost. Existentialismus. Das Schreiben ist also für Schriftsteller*innen ein Weg, zu sein, was sie sind. Und zu werden, zu dem sie bestimmt sind: menschlichere Menschen.
Okay, ich muss an dieser Stelle mal stoppen. Demnächst mache ich mir dann mal wieder Gedanken darüber. Im Hier und Jetzt sage ich: Schreiben ist für meine seelische Gesundheit so wichtig wie das Atmen für meine körperliche. Noch Fragen?